Produzent - Phillip Kreuzer

Herr Kreuzer, Sie haben als Filmproduzent direkten Kontakt zu Autoren und Derhbuchschreibern. Wie wird da momentan das Thema „Corona“ verarbeitet? Ist es ein „heißes Eisen“?

Während der Pandemie haben sich verschiedene Drehbuchautoren mit dem Thema Corona auseinandergesetzt und es entstanden eine Reihe von Produktionen, die jedoch hauptsächlich in Form von „Videokonferenzen“ gefilmt und realisiert wurden. Für viele ist das Thema jetzt „durch“. Sunshine Eyes hingegen ist die einzige Serie, die tatsächlich real während des Lockdowns in unterschiedlichen Locations gedreht wurde und zudem intensiv darauf eingeht, was die Pandemie für das Leben von Jugendlichen bedeutet.

Welche Erfahrungen haben sie mit Sunshine Eyes gemacht?

Sunshine Eyes ist meiner Meinung nach in Bezug auf Authentizität und Emotionalität unerreicht. Die jungen Hauptdarsteller sind alle Laien und Maria von Heland ist es gelungen, das Gefühl und die Atmosphäre dieser außergewöhnlichen Zeit einzufangen. Das war so authentisch nur möglich, weil wir unter echten Lockdown-Bedingungen arbeiteten und nicht ausschließlich in Wohnungen drehten. Die Hygienevorschriften waren dabei sehr streng, aber sämtliche Beteiligten brachten all ihre Energien und Emotionen in diese Produktion ein. Und das spürt man in jeder Sekunde dieser Serie. 

War Realitätsflucht schon immer eine grundlegende Eigenschaft deutscher Unterhaltung?

Realitätsflucht ist generell ein wesentliches Element fiktionaler Unterhaltungsprogramme. Man schaut Filme und Serien, um dem Alltag zu entfliehen. Das bedeutet aber nicht, einen Diskurs vollständig auszuschließen, sondern vielmehr, diesen anzuregen. Das gelingt auch deutscher Fiktion von Zeit zu Zeit, oft aber nur durch bewusst gesetzte Themen, die dann beispielsweise in einen Krimiplot eingebaut werden. Sunshine Eyes braucht diese Hilfe nicht, sondern geht konkret auf die Ereignisse im Frühjahr 2020 ein

Jugendliche sehen heutzutage eher lineares Fernsehen, weil die meisten Produktionen und Programme von der älteren Generation für sie und nicht mir ihnen gemachten werden. Bei Sunshine Eyes haben wir den direkten Weg gewählt, die Geschichte mit Jugendlichen entwickelt und aus ihrer Sicht erzählt. 

Was antworten Sie, wenn Programmverantwortliche sagen: So was können wir unseren Zuschauen (noch) nicht zumuten?

Die Zeit für diese Serie ist genau jetzt, zwei Jahre nach dem Lockdown 2020.

Zum Teil hören wir, dass man den Zuschauern dieses Thema nicht zumuten möchte. Eine echte Auseinandersetzung mit dem Lockdown und dessen Folgen für die Jugend steht aber noch aus und sollte eigentlich direkt jetzt durchgeführt werden. 

Es ist in gewisser Weise vergleichbar mit der Wende und ihren Folgen. Diesbezüglich findet der intensivere Diskurs erst jetzt statt.
Die neue digitale Welt vergisst aber schnell und 2020 ist für viele schon eine verblassende Erinnerung. Das macht uns Menschen aus und macht das Weiterleben leichter. Im Inneren ist das Erlebte aber noch immer frisch. Und als Filmemacher sehen wir es als eine unserer Aufgaben, unseren Zuschauern durch eine Reflektion die Verarbeitung von Erlebtem zu ermöglichen – und das nicht erst 30 Jahre später, wie im Fall der Wende. 

Interview by Francesca Ferguson